Der Nationalrat hat beschlossen: Der Abschluß des nachstehenden Staatsvertrages wird genehmigt. Die Regierung der Republik Österreich und die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, ausgehend von dem Bestreben, die gutnachbarlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten zu

entwickeln und die für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit auszubauen, unter Berücksichtigung des Wunsches beider Seiten, die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu vertiefen, überzeugt von der Notwendigkeit der Schaffung eines internationalen Regimes, das die sichere Nutzung der Kernenergie auf der Grundlage des Zusammenwirkens aller Staaten und internationalen Organisationen gewährleistet, unter Berücksichtigung dessen, daß beide Staaten Vertragsstaaten des Übereinkommens vom 26. September 1986 über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen Kundgemacht in Bundesgesetzblatt Nr. 186 aus 1988, (im folgenden „Übereinkommen der IAEO" genannt) sind, überzeugt, daß für beide Staaten eine enge Zusammenarbeit wichtig ist, um die grenzüberschreitenden Folgen möglicher Freisetzungen radioaktiver Stoffe zu begrenzen, sowie in dem Bestreben, daß beide Staaten zu diesem Zwecke so rasch wie möglich die notwendigen Informationen erhalten, sind wie folgt übereingekommen: ANWENDUNGSBEREICH Artikel 1 1. Dieses Abkommen bezieht sich in jenem Teil, der die Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen betrifft, auf die Anlagen und die Tätigkeiten, die in den Artikeln 1 und 3 des Übereinkommens der IAEO angeführt sind. 2. Dieses Abkommen bezieht sich in jenem Teil, der den Informationsaustausch betrifft, auf Anlagen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, wie Kernkraftwerke und Lager für deren frischen und abgebrannten Brennstoff. BENACHRICHTIGUNG BEI EINEM NUKLEAREN UNFALL Artikel 2 Bei jedem Unfall auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei im Zusammenhang mit Kernanlagen oder Tätigkeiten gemäß Artikel 1 des Übereinkommens der IAEO, in dessen Folge eine Freisetzung radioaktiver Stoffe auf das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei stattfindet oder stattfinden kann, die für sie vom Standpunkt der Strahlensicherheit von Bedeutung sein könnte, benachrichtigt die erstgenannte Vertragspartei die andere Vertragspartei sofort auf direktem Wege darüber und stellt ihr umgehend die vorhandenen Informationen

gemäß Artikel 5 des Übereinkommens der IAEO zur Verfügung. Artikel 3 Die Vertragsparteien sind bereit, einander so bald wie möglich auch über alle anderen nuklearen Unfälle zu benachrichtigen, die zwar in Artikel 2 dieses Abkommens nicht vorgesehen sind, aber nach Einschätzung der Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet der Unfall sich ereignete, zu einer vom Standpunkt der Strahlensicherheit der anderen Vertragspartei bedeutenden grenzüberschreitenden Freisetzung radioaktiver Stoffe führen können. Artikel 4 1. Die Bestimmungen der Artikel 2 und 3 dieses Abkommens werden — in Österreich vom Bundesministerium für Inneres, — in der Sowjetunion vom Staatskomitee der UdSSR für die Nutzung der Atomenergie durchgeführt. Die Vertragsparteien werden einander auf diplomatischem Wege benachrichtigen, falls sich die für die Durchführung der genannten Bestimmungen verantwortlichen Organe ändern. 2. Diese Organe stimmen miteinander die praktischen Maßnahmen zur Erfüllung der in Artikel 2 und 3 des Abkommens vorgesehenen Verpflichtungen ab. INFORMATIONSAUSTAUSCH Artikel 5 1. Die Vertragsparteien übergeben einander mindestens einmal jährlich Informationen über die Betriebsverhältnisse der in Artikel 1 Absatz 2 dieses Abkommens angeführten Kernanlagen und übergeben andere technische Informationen zur Nutzung bei der Beurteilung der möglichen Folgen eines Unfalls in diesen Anlagen, die in dem Staat, der die Informationen erhält, auftreten könnten, und zur Nutzung bei der Erarbeitung der zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt notwendigen Maßnahmen. 2. In Österreich betrifft die in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehene Verpflichtung zur Informationsleistung die Kernanlagen auf dem gesamten Hoheitsgebiet des Staates. In der UdSSR betrifft die in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehene Verpflichtung zur Informationsleistung die Kernanlagen in der Zone mit der Breite von 300 km entlang der westlichen Staatsgrenze

der UdSSR beginnend von der Ostsee bis zu dem Schnittpunkt der östlichen Grenze dieser Zone mit dem 29. Grad östlicher Länge und weiter südwärts in der Zone zwischen der westlichen Staatsgrenze der UdSSR und der Linie, die durch den genannten Schnittpunkt auf dem Staatsgebiet der UdSSR entlang dem 29. Grad östlicher Länge verläuft. 3. Die Vertragsparteien werden, falls notwendig, Konsultationen über die Informationen, die gemäß Absatz 1 dieses Artikels übermittelt werden, für den Bereich der Zonen, die in Absatz 2 dieses Artikels angeführt werden, abhalten sowie auch einen Meinungsaustausch über Fragen der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der sicheren Entwicklung des Kernkraftsektors durchführen. 4. Die Vertragsparteien bestimmen die Organe, welche die Bestimmungen dieses Artikels durchführen. 5. Die Informationen, die gemäß diesem Artikel übermittelt werden, sind ausschließlich für die in diesem Artikel genannten Zwecke zu verwenden, sofern die in Absatz 4 dieses Artikels genannten Organe nicht anderes vereinbaren. Artikel 6 Der Inhalt der gemäß Artikel 5 dieses Abkommens übergebenen Informationen kann Einschränkungen unterliegen, die sich aus der Gesetzgebung der Vertragsparteien ergeben. ANDERE BESTIMMUNGEN Artikel 7 Dieses Abkommen berührt nicht die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, die sich aus früher von ihnen abgeschlossenen zwischenstaatlichen Abkommen ergeben. Artikel 8 Meinungsverschiedenheiten, die sich aus der Auslegung und Anwendung dieses Abkommens ergeben, werden auf dem Verhandlungswege zwischen den Vertragsparteien beigelegt. Artikel 9 Auf Ersuchen einer der Vertragsparteien werden bilaterale Verhandlungen über Fragen einer Änderung dieses Abkommens durchgeführt. Jede Änderung erfordert das Einverständnis beider Vertragsparteien. Artikel 10 Dieses Abkommen oder Änderungen dazu treten 60 Tage nach der gegenseitigen schriftlich auf diplomatischem Weg erfolgten Benachrichtigung

der Vertragsparteien darüber in Kraft, daß die in ihrer Gesetzgebung vorgesehenen Bedingungen für das Inkrafttreten des Abkommens oder von Änderungen dazu erfüllt sind. Artikel 11 Dieses Abkommen gilt unbefristet. Jede Vertragspartei kann dieses Abkommen kündigen, indem sie die andere Vertragspartei schriftlich auf diplomatischem Weg davon in Kenntnis setzt. Die Kündigung tritt ein Jahr nachdem die eine Vertragspartei die schriftliche Mitteilung der anderen Vertragspartei erhalten hat, in Kraft, sofern in der Mitteilung kein späteres Datum angegeben wird. Geschehen zu Moskau, am 12. September 1988, in zwei Urschriften, in deutscher und russischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind. Für die Regierung der Republik Österreich: Mock Für die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken: Schewardnadse Die Benachrichtigungen gemäß Artikel 10, wurden am 24. November 1989 bzw. 25. Jänner 1990 abgegeben; das Abkommen tritt gemäß seinem Artikel 10, mit 26. März 1990 in Kraft.

Riegler