Der Nationalrat hat beschlossen: Der Abschluß des nachstehenden Staatsvertrages wird genehmigt. DIE REPUBLIK ÖSTERREICH UND DIE UNGARISCHE VOLKSREPUBLIK, im folgenden die „Vertragsparteien" genannt, VON DEM WUNSCHE GELEITET, günstige Voraussetzungen für eine größere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien zu schaffen; IN DER ERKENNTNIS, daß die Förderung und der Schutz von Investitionen die Bereitschaft zur Vornahme solcher Investitionen stärken und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen leisten können,
SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN: Artikel 1 Definitionen Für die Zwecke dieses Abkommens (1) umfaßt der Begriff „Investition" alle der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit dienenden Vermögenswerte, insbesondere, aber nicht ausschließlich: a) Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie sonstige dingliche Rechte und Sicherungsrechte, wie Hypotheken, Zurückbehaltungsrechte, Pfandrechte, Nutzungsrechte und ähnliche Rechte; b) Anteilsrechte und andere Arten von Beteiligungen an Unternehmen; c) Ansprüche auf Geld, das übergeben wurde, um einen wirtschaftlichen Wert zu schaffen, oder Ansprüche auf Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert haben; d) Urheberrechte, gewerbliche Schutzrechte wie Erfinderpatente, Handelsmarken, gewerbliche Muster und Modelle sowie Gebrauchsmuster, technische Verfahren, Know-how, Handelsnamen und Goodwill; e) öffentlich-rechtliche Konzessionen für die Aufsuchung und Gewinnung von Naturschätzen; (2) bezeichnet der Begriff „Investor" a) jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei besitzt und im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei eine Investition tätigt; b) jede juristische Person, Organisation oder Vereinigung, mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, die gemäß den Gesetzen einer Vertragspartei rechtmäßig geschaffen wurde, ihren Sitz im Hoheitsgebiet dieser Vertragspartei hat und die im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei eine Investition tätigt; (3) bezeichnet der Begriff „Erträge" diejenigen Beträge, die eine Investition erbringt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, Gewinne, Zinsen, Kapitalzuwächse, Dividenden, urheberrechtliche Tantiemen, Lizenzgebühren und andere Entgelte; (4) umfaßt der Begriff „Enteignung" auch eine Verstaatlichung oder sonstige Maßnahme mit gleicher Wirkung. Artikel 2 Förderung und Schutz von Investitionen (1) Jede Vertragspartei fördert nach Möglichkeit in ihrem Hoheitsgebiet Investitionen der Investoren der anderen Vertragspartei, läßt diese in Überein-
stimmung mit ihren Rechtsvorschriften zu und behandelt sie in jedem Fall gerecht und billig. (2) Investitionen, die in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften einer Vertragspartei in ihrem Hoheitsgebiet von Investoren der anderen Vertragspartei vorgenommen sind, genießen den vollen Schutz dieses Abkommens. Erträge aus den Investitionen und im Fall ihrer Wiederanlage auch deren Erträge genießen den gleichen Schutz wie die Investition. Die Wiederanlage, rechtliche Erweiterung, Veränderung oder Umwandlung einer Investition gilt als neue Investition. Artikel 3 Behandlung von Investitionen (1) Jede Vertragspartei behandelt Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei, die in ihrem Hoheitsgebiet nach Einhaltung aller für ihre Errichtung und Nutzung geltenden Rechtsvorschriften begründet worden sind, nicht weniger günstig als Investitionen eigener Investoren oder von Investoren dritter Staaten. (2) Jede Vertragspartei behandelt in ihrem Hoheitsgebiet die Betätigung der Investoren der anderen Vertragspartei in bezug auf eine Investition, insbesondere hinsichtlich ihrer Verwaltung, Verwendung, ihres Gebrauchs und ihrer Nutzung, nicht weniger günstig als die Betätigung eigener Investoren oder von Investoren dritter Staaten. (3) Die Bestimmungen dieses Abkommens, wonach die Behandlung von Investoren der anderen Vertragspartei nicht weniger günstig sein darf als diejenige, die Investoren eines dritten Staates zuerkannt wird, können nicht dahingehend ausgelegt werden, daß sie eine Vertragspartei verpflichten, den Investoren der anderen Vertragspartei den gegenwärtigen oder künftigen Vorteil einer Behandlung, einer Präferenz oder eines Privileges einzuräumen, welcher sich ergibt aus a) einer Zollunion, einem gemeinsamen Markt, einer Freihandelszone oder der Zugehörigkeit zu einer Wirtschaftsgemeinschaft; b) einem internationalen Abkommen, einer Vereinbarung oder innerstaatlichen Rechtsvorschriften über Steuerfragen; c) Regelungen zur Erleichterung des Grenzverkehrs. Artikel 4 Entschädigung (1) Investitionen von Investoren einer Vertragspartei dürfen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei nur im öffentlichen Interesse, auf Grund eines rechtmäßigen Verfahrens und gegen Entschädigung enteignet werden. Die Entschädigung muß dem Wert der Investition unmittelbar vor dem Zeitpunkt entsprechen, in dem die tatsächliche oder drohende Enteignung öffentlich bekannt wurde.
Die Entschädigung muß ohne ungebührliche Verzögerung geleistet werden und ist bis zum Zeitpunkt der Zahlung mit dem üblichen bankmäßigen Zinssatz jenes Staates, in dessen Hoheitsgebiet die Investition durchgeführt wurde, zu verzinsen; sie muß tatsächlich verwertbar und frei transferierbar sein. Spätestens im Zeitpunkt der Enteignung muß in geeigneter Weise für die Festsetzung und Leistung der Entschädigung Vorsorge getroffen sein. (2) Enteignet eine Vertragspartei die Vermögenswerte einer Gesellschaft, die in Anwendung von Artikel 1 Absatz 2 dieses Abkommens als ihre eigene Gesellschaft anzusehen ist, und an welcher ein Investor der anderen Vertragspartei Anteile besitzt, so wendet sie die Bestimmungen des Absatzes 1 dieses Artikels dergestalt an, daß die angemessene Entschädigung dieses Investors sichergestellt wird. (3) Dem Investor steht das Recht zu, das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Absatz 1 durch die zuständigen Organe der Vertragspartei, welche die Enteignung veranlaßt hat, überprüfen zu lassen. (4) Dem Investor steht das Recht zu, die Höhe der Entschädigung für die Enteignung durch die zuständigen Organe der Vertragspartei, welche die Enteignung veranlaßt hat, oder durch ein internationales Schiedsgericht gemäß Artikel 8 überprüfen zu lassen. (5) Hinsichtlich der in Absatz 1, Absatz 2, Absatz 3 und Absatz 4 dieses Artikels geregelten Angelegenheiten werden Investoren einer Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei nicht weniger günstig behandelt als eigene Investoren oder Investoren dritter Staaten. (6) Investoren einer Vertragspartei und gemeinsame Unternehmen mit Beteiligung von Investoren einer Vertragspartei, die im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei durch Krieg, andere bewaffnete Auseinandersetzungen, Ausnahmezustand oder andere vergleichbare Ereignisse Verluste an ihren Investitionen erleiden, werden von dieser anderen Vertragspartei hinsichtlich aller Maßnahmen, die sie in diesem Zusammenhang trifft, nicht weniger günstig behandelt als eigene Investoren oder Investoren dritter Staaten. Artikel 5 Überweisungen (1) Jede Vertragspartei gewährleistet den Investoren der anderen Vertragspartei ohne ungebührliche Verzögerung den freien Transfer in frei konvertierbarer Währung der im Zusammenhang mit einer Investition stehenden Zahlungen, insbesondere, aber nicht ausschließlich, a) des Kapitals und zusätzlicher Beträge zur Aufrechterhaltung oder Ausweitung der Investition;
Litera b von Beträgen, die zur Abdeckung von Ausgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung der Investition bestimmt waren; c) der Erträge; d) der Rückzahlung von Darlehen; e) des Erlöses im Falle vollständiger oder teilweiser Liquidation oder Veräußerung der Investition; f) von Entschädigungen gemäß Artikel 4 Absatz 1. (2) Die Behandlung gemäß Absatz 1 dieses Artikels darf nicht weniger günstig sein als diejenige, die Investoren dritter Staaten gewährt wird. (3) Die Überweisungen gemäß diesem Artikel erfolgen zu den Wechselkursen, die am Tage der Überweisung jeweils gelten. Die Bankgebühren werden gerecht und angemessen sein. Artikel 6 Eintrittsrecht Leistet eine Vertragspartei oder eine von ihr hiezu ermächtigte Institution ihren Investoren Zahlungen auf Grund einer Garantie für eine Investition im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei, so erkennt diese andere Vertragspartei, unbeschadet der Rechte des Investors der erstgenannten Vertragspartei aus Artikel 8 und der Rechte der erstgenannten Vertragspartei aus Artikel 9, die Übertragung aller Rechte oder Ansprüche dieser Investoren kraft Gesetzes oder auf Grund Rechtsgeschäfts auf die erstgenannte Vertragspartei an. Ferner erkennt die andere Vertragspartei den Eintritt der erstgenannten Vertragspartei in alle diese Rechte oder Ansprüche an, welche die erstgenannte Vertragspartei in demselben Umfang wie ihr Rechtsvorgänger auszuüben berechtigt ist. Für den Transfer der an die betreffende Vertragspartei auf Grund der übertragenen Ansprüche zu leistenden Zahlungen gelten Artikel 4 und Artikel 5 sinngemäß. Artikel 7 Andere Verpflichtungen (1) Ergibt sich aus den Rechtsvorschriften einer Vertragspartei oder aus völkerrechtlichen Verpflichtungen, die neben diesem Abkommen zwischen den Vertragsparteien bestehen oder in Zukunft begründet werden, eine allgemeine oder besondere Regelung, durch die den Investitionen der Investoren der anderen Vertragspartei eine günstigere Behandlung als nach diesem Abkommen zu gewähren ist, so geht diese Regelung dem vorliegenden Abkommen insoweit vor, als sie günstiger ist. (2) Jede Vertragspartei hält jede vertragliche Verpflichtung ein, die sie gegenüber Investoren der anderen Vertragspartei in bezug auf von ihr genehmigte Investitionen in ihrem Hoheitsgebiet übernommen hat.
Artikel 8 Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (1) Entstehen zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei Meinungsverschiedenheiten aus einer Investition, so werden diese so weit wie möglich zwischen den Streitparteien freundschaftlich beigelegt. Kann eine solche Meinungsverschiedenheit nicht freundschaftlich beigelegt werden, dann hat der Investor alle innerstaatlichen verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Rechtsmittel auszuschöpfen. (2) Kann eine Meinungsverschiedenheit auf Grund von Artikel 4 Absatz 4 oder Artikel 5 nicht innerhalb von achtzehn Monaten ab einer schriftlichen Mitteilung hinreichend bestimmter Ansprüche in einer in Absatz 1 vorgesehenen Weise beigelegt werden, wird die Meinungsverschiedenheit auf Antrag der Vertragspartei oder des Investors der anderen Vertragspartei zur Durchführung eines Vergleichsverfahrens oder eines Schiedsverfahrens dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten unterbreitet, welches durch die Konvention über die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Staatsangehörigen anderer Staaten, die am 18. März 1965 in Washington zur Unterschrift aufgelegt wurde, geschaffen wurde. Im Falle eines Schiedsverfahrens stimmt jede Vertragspartei, auch ohne Vorliegen einer individuellen Schiedsvereinbarung zwischen einer Vertragspartei und einem Investor, durch dieses Abkommen unwiderruflich im vorhinein zu, solche Meinungsverschiedenheiten dem Zentrum zu unterbreiten und den Schiedsspruch als bindend anzuerkennen. Diese Zustimmung beinhaltet den Verzicht auf das Erfordernis, daß das innerstaatliche Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren erschöpft worden ist. Artikel 9 Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien (1) Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens sollen, soweit wie möglich, durch freundschaftliche Verhandlungen beigelegt werden. (2) Kann eine Meinungsverschiedenheit innerhalb von sechs Monaten nicht beigelegt werden, so wird sie auf Verlangen einer der beiden Vertragsparteien einem Schiedsgericht unterbreitet. (3) Das Schiedsgericht wird von Fall zu Fall gebildet, indem jede Vertragspartei ein Mitglied bestellt und beide Mitglieder sich auf den Angehörigen eines dritten Staates als Vorsitzenden einigen, der von den Regierungen der beiden Vertragsparteien zu bestellen ist. Die Mitglieder sind innerhalb von zwei Monaten, nachdem die eine Vertragspartei der anderen mitgeteilt hat, daß sie die Mei-
nungsverschiedenheit einem Schiedsgericht unterbreiten will, der Vorsitzende innerhalb von weiteren zwei Monaten zu bestellen. (4) Werden die in Absatz 3 genannten Fristen nicht eingehalten, so kann in Ermangelung einer anderen Vereinbarung jede Vertragspartei den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes bitten, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Besitzt der Präsident des Internationalen Gerichtshofes die Staatsangehörigkeit einer der beiden Vertragsparteien oder ist er aus einem anderen Grund verhindert, so kann der Vizepräsident oder im Falle seiner Verhinderung das dienstälteste Mitglied des Internationalen Gerichtshofes unter denselben Voraussetzungen eingeladen werden, die Ernennungen vorzunehmen. (5) Das Schiedsgericht regelt sein Verfahren selbst. (6) Das Schiedsgericht soll auf Grund dieses Abkommens sowie auf Grund der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes entscheiden. Es entscheidet mit Stimmenmehrheit; die Entscheidung ist endgültig und bindend. (7) Jede Vertragspartei trägt die Kosten ihres Mitglieds und ihrer Vertretung in dem Schiedsverfahren; die Kosten des Vorsitzenden sowie die sonstigen Kosten werden von den beiden Vertragsparteien zu gleichen Teilen getragen. Das Gericht kann jedoch in seiner Entscheidung eine andere Kostenregelung treffen. Artikel 10 Anwendung dieses Abkommens Dieses Abkommen gilt für Investitionen, die Investoren der einen Vertragspartei in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften der anderen Vertragspartei in deren Hoheitsgebiet nach dem 1. Jänner 1973 vorgenommen haben. Artikel 11 Inkrafttreten und Dauer (1) Dieses Abkommen bedarf der Ratifikation und tritt am ersten Tage des dritten Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in welchem die Ratifikationsurkunden ausgetauscht worden sind. (2) Das Abkommen bleibt zehn Jahre lang in Kraft; nach deren Ablauf wird es auf unbegrenzte Zeit verlängert, sofern nicht eine der beiden Vertragsparteien das Abkommen mit einer Frist von zwölf Monaten schriftlich kündigt. Nach Ablauf von zehn Jahren kann das Abkommen jederzeit gekündigt werden, bleibt jedoch nach erfolgter Kündigung noch ein Jahr in Kraft. (3) Für Investitionen, die bis zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieses Abkommens vorgenommen worden sind, gelten die Artikel 1 bis 10 noch
für weitere zehn Jahre vom Tage des Außerkrafttretens des Abkommens an. GESCHEHEN zu Budapest, am 26. Mai 1988, in zwei Urschriften, jede in deutscher und ungarischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen authentisch ist. Für die Republik Österreich: Dr. Mock Für die Ungarische Volksrepublik: Dr. Villányi Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am 26. Juni 1989 ausgetauscht; das Abkommen tritt daher gemäß seinem Artikel 11, Absatz eins, mit 1. September 1989 in Kraft.
Vranitzky