Der Nationalrat hat beschlossen: Der Abschluß des nachstehenden Staatsvertrages wird genehmigt. Der Bundespräsident der Republik Österreich und der Präsident der Bundesrepublik Deutschland in dem Wunsch, das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen — im folgenden als Übereinkommen bezeichnet — im Verhältnis zwischen den beiden Staaten zu ergänzen und die Anwendung der darin enthaltenen Grundsätze zu erleichtern, sind übereingekommen, einen Vertrag zu schließen, und haben zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt: Der Bundespräsident der Republik Österreich Herrn Botschafter Dr. Wilfried Gredler der Präsident der Bundesrepublik Deutschland Herrn Dr. Paul Frank, Staatssekretär des Auswärtigen Amts und Herrn Dr. Günther Erkel, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz Die Bevollmächtigten haben nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten nachstehende Bestimmungen vereinbart: Artikel römisch eins (zu Artikel 1 des Übereinkommens) (1) Rechtshilfe wird in allen Verfahren hinsichtlich strafbarer Handlungen geleistet, zu deren Verfolgung in dem Zeitpunkt, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, die Justizbehörden des ersuchenden Staates zuständig sind und im ersuchten Staat die Justiz- oder Verwaltungsbehörden zuständig wären. Für die Rechtshilfe durch Zustellung ist es nicht erforderlich, daß im ersuchten Staat eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde zur Verfolgung zuständig wäre. (2) Die Zustellung von Aufforderungen zum Strafantritt oder zur Zahlung von Geldstrafen sowie von Entscheidungen über Verfahrenskosten ist zulässig. Artikel römisch II (zu Artikel 1 des Übereinkommens) Das Übereinkommen und dieser Vertrag werden auch angewendet: 1. in Angelegenheiten des Strafaufschubes, der Strafunterbrechung und der bedingten Aussetzung der Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel der Sicherung und Besserung; 2. in Gnadensachen; 3. in Verfahren über die Verpflichtung zur Entschädigung für unschuldig erlittene Haft oder andere Verfolgungsmaßnahmen oder ungerechtfertigte Verurteilung; 4. in gerichtlich anhängigen Verfahren wegen Zuwiderhandlungen, die nach deutschem Recht Ordnungswidrigkeiten sind. Artikel römisch III (1) In Angelegenheiten der Strafrechtspflege unterstützen einander die Polizeibehörden der Vertragsstaaten im Rahmen und in entsprechender Anwendung des Übereinkommens und dieses Vertrages durch a) Fahndung, b) Personenfeststellung, c) Beschaffung und Erteilung von Auskünften. Die Befragung von Personen zu diesen Zwecken ist zulässig. (2) Auf Veranlassung einer Justizbehörde des ersuchenden Staates wird bei Gefahr im Verzug Unterstützung auch durch polizeiliche Vernehmung, Durchsuchung und Beschlagnahme von Gegenständen gewährt. In diesen Fällen sind im Ersuchen die Justizbehörde und deren Aktenzeichen anzugeben. (3) Polizeiliche Unterstützung nach diesem Artikel wird begehrt und geleistet durch den Bundesminister für Inneres der Republik Österreich einerseits und durch das Bundeskriminalamt der Bundesrepublik Deutschland andererseits. Artikel römisch IV (zu Artikel 2 des Übereinkommens) (1) Rechtshilfe wird im Rahmen des Artikels römisch eins auch in Verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen Abgaben-, Steuer-, Zoll- und Monopolvorschriften geleistet; bei der Beurteilung, ob für

die Verfolgung einer Zuwiderhandlung im ersuchten Staat eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde zuständig wäre, wird jedoch nicht geprüft, ob in diesem Staat eine Abgabe oder Steuer, ein Zoll oder Monopol gleicher Art besteht. (2) Rechtshilfe durch Übermittlung von Akten, Schriftstücken oder Beweisgegenständen, über welche die Finanz-(Zoll-)behörden des ersuchten Staates verfügen können, wird auch im unmittelbaren Verkehr zwischen den Justizbehörden des ersuchenden Staates und den Finanz- (Zoll-)behörden des ersuchten Staates geleistet. (3) Die nach den Vorschriften der Vertragsstaaten bestehenden Geheimhaltungspflichten in fiskalischen Angelegenheiten stehen der nach diesem Artikel zu leistenden Rechtshilfe nicht entgegen. Umstände oder Tatsachen, die den Justiz- oder Verwaltungsbehörden eines Vertragsstaates im Zusammenhang mit einem Rechtshilfeersuchen bekanntwerden, unterliegen der nach den Vorschriften dieses Staates in fiskalischen Angelegenheiten bestehenden Geheimhaltungspflicht. Artikel römisch fünf (zu Artikel 3 des Übereinkommens) (1) Gegenstände, die aus der mit Strafe bedrohten Handlung herrühren oder als Entgelt für solche Gegenstände erlangt worden sind, werden zum Zwecke der Aushändigung an den Geschädigten übermittelt, sofern nicht a) die Gegenstände im ersuchten Staat als Beweisstücke für ein bei einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde anhängiges Verfahren benötigt werden, b) die Gegenstände im ersuchten Staat der Einziehung oder dem Verfall unterliegen, oder c) Dritte Rechte an ihnen geltend machen. (2) Für ein Ersuchen nach Absatz 1 ist eine richterliche Anordnung der Beschlagnahme nicht erforderlich. Artikel römisch VI (zu Artikel 4 des Übereinkommens) (1) Den Vertretern der am Strafverfahren beteiligten Behörden und den sonst daran beteiligten Personen sowie deren Vertretern wird die Anwesenheit bei der Vornahme von Rechtshilfehandlungen im ersuchten Staat gestattet. Sie können ergänzende Fragen oder Maßnahmen anregen. Artikel 12 des Übereinkommens findet entsprechende Anwendung. (2) Zur Dienstverrichtung der Behördenvertreter in der Republik Österreich bedarf es der Zustimmung des Bundesministers für Justiz, in der Bundesrepublik Deutschland der Zustimmung des Bundesministers der Justiz oder des Justizministeriums des Landes (Landesjustizverwaltung), in dessen Bereich die Rechtshilfe gelebtet werden soll; Artikel 2 Litera b,) des Übereinkommens ist sinngemäß anzuwenden. Artikel VH (zu Artikel 6 des Übereinkommens) Auf die Rückgabe der im Artikel 3 Absatz eins, des Übereinkommens erwähnten Beweisstücke und Schriftstücke wird keinesfalls verzichtet, wenn Dritte, die Rechte an ihnen geltend machen, dem Verzicht nicht zustimmen. Artikel römisch VIII (zu Artikel 10 des Übereinkommens) Die Absätze 2 und 3 des Artikels 10 des Übereinkommens finden auf alle Fälle der Vorladung eines Zeugen oder Sachverständigen Anwendung. Das Ersuchen um Gewährung eines Vorschusses kann auch von dem Zeugen oder Sachverständigen gestellt werden. Artikel römisch IX (1) Gestattet der ersuchte Staat die Anwesenheit einer im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates in Haft befindlichen Person bei der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens, so hat er sie für die Dauer ihres Aufenthalts in seinem Hoheitsgebiet in Haft zu halten und sie nach Vornahme der Rechtshilfehandlung dem ersuchenden Staat unverzüglich wieder zu überstellen, sofern nicht dieser die Freilassung verlangt. (2) Gestattet ein dritter Staat die Anwesenheit einer im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates in Haft befindlichen Person bei der Erledigung eines Rechtshilfeersuchens, so gelten für die Beförderung dieses Häftlings durch das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates die Absätze 2 und 3 des Artikels 11 des Übereinkommens entsprechend. (3) Die Bestimmungen des Artikels 12 des Übereinkommens sind auf die in den vorstehenden Absätzen 1 und 2 erwähnten Fälle entsprechend anzuwenden. Artikel römisch zehn (zu Artikel 13 des Übereinkommens) (1) Der ersuchte Staat übermittelt von den Polizeibehörden des anderen Staates für Zwecke der Strafrechtspflege erbetene Auszüge aus dem Strafregister und auf dieses bezügliche Auskünfte in dem Umfang, in dem seine Polizeibehörden sie in ähnlichen Fällen erhalten könnten.

  1. Absatz 2Aus anderen Gründen als für Zwecke der Strafrechtspflege werden auf Ersuchen der Behörden des einen Vertragsstaates Auszüge aus dem Strafregister des anderen Vertragsstaates und auf dieses bezügliche Auskünfte in dem Umfang erteilt, in dem seine Behörden sie in ähnlichen Fällen erhalten könnten. Artikel römisch XI (zu Artikel 14 des Übereinkommens) (1) In Zustellungsersuchen wird bei den Angaben über den Gegenstand und den Grund des Ersuchens auch die Art des zuzustellenden Schriftstückes sowie die Stellung des Empfängers im Verfahren bezeichnet. (2) Einem Ersuchen um Durchsuchung oder Beschlagnahme von Beweisstücken oder Schriftstücken wird eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der richterlichen Anordnung beigefügt. Artikel römisch XII (zu Artikel 15 des Übereinkommens) (1) Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, findet der Rechtshilfeverkehr unmittelbar von Justizbehörde zu Justizbehörde statt. Die Vermittlung durch den Bundesminister für Justiz der Republik Österreich einerseits und durch den Bundesminister der Justiz oder die Justizministerien der Länder (Landesjustizverwaltungen) der Bundesrepublik Deutschland andererseits wird dadurch nicht ausgeschlossen. (2) Ersuchen um Überstellung oder Durchbeförderung von Häftlingen werden durch den Bundesminister für Justiz der Republik Österreich einerseits und durch den Bundesminister der Justiz oder die Justizministerien der Länder (Landesjustizverwaltungen) der Bundesrepublik Deutschland andererseits übermittelt. In dringenden Fällen ist der unmittelbare Verkehr zwischen den Justizbehörden der beiden Vertragsstaaten zulässig. (3) Die im Artikel römisch zehn Absatz eins, dieses Vertrages erwähnten Ersuchen werden durch den Bundesminister für Inneres der Republik Österreich einerseits und durch das Bundeskriminalamt der Bundesrepublik Deutschland andererseits übermittelt und auf demselben Weg beantwortet; bei Gefahr im Verzug ist der unmittelbare Verkehr zwischen den Polizeibehörden und den zuständigen Strafregisterbehörden zulässig. (4) Die im Artikel römisch zehn Absatz 2, dieses Vertrages erwähnten Ersuchen werden durch den Bundesminister für Inneres der Republik Österreich einerseits und durch den Bundesminister der Justiz der Bundesrepublik Deutschland andererseits übermittelt und auf demselben Weg beantwortet. Artikel römisch XIII (zu Artikel 20 des Übereinkommens) Die durch die Anwendung der Artikel römisch fünf und römisch IX dieses Vertrages entstandenen Kosten werden von dem ersuchenden Staat erstattet. Artikel römisch XIV (zu Artikel 21 des Übereinkommens) (1) Auf Grund einer nach Artikel 21 des Übereinkommens übermittelten Anzeige eines Vertragsstaates werden die zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates prüfen, ob nach dem Recht dieses Staates eine Person strafgerichtlich zu verfolgen ist. Die Strafverfolgung ist auch dann zulässig, wenn der Sachverhalt im ersuchten Staat als Übertretung zu würdigen ist. Ist nach dem angezeigten Sachverhalt die Gerichtsbarkeit des ersuchten Staates begründet, so kann die Strafverfolgung nicht deshalb abgelehnt werden, weil die Tat im Ausland begangen worden ist. (2) Sind bei der Beurteilung des Sachverhalts im Sinne des Absatzes 1 Straßenverkehrsvorschriften zu berücksichtigen, so sind die am Tatort geltenden Verkehrsregeln zugrunde zu legen. (3) Ein zur Einleitung eines Strafverfahrens notwendiger Antrag oder eine solche Ermächtigung, die in dem ersuchenden Staat vorliegt, ist auch im ersuchten Staat wirksam; nur nach dem Recht des ersuchten Staates erforderliche Anträge oder Ermächtigungen können innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Eingang der Anzeige bei der zur Strafverfolgung zuständigen Behörde dieses Staates nachgeholt werden. (4) Die Anzeige hat eine Darstellung des Sachverhalts zu enthalten. Die in Betracht kommenden Gegenstände und Unterlagen sind in Urschrift oder beglaubigter Abschrift beizufügen; die Gegenstände und die urschriftlichen Unterlagen werden dem ersuchenden Staat sobald wie möglich zurückgegeben, soweit er auf die Rückgabe nicht verzichtet. Außerdem sind der Anzeige eine Abschrift der nach dem Recht des ersuchenden Staates anwendbaren Strafbestimmungen und in den Fällen des Absatzes 2 der am Tatort geltenden Verkehrsregeln beizufügen. (5) Die durch die Anwendung des Artikels 21 des Übereinkommens und dieses Artikels entstandenen Kosten werden nicht erstattet. Artikel römisch XV (zu Artikel 21 des Übereinkommens) Die Behörden des ersuchenden Staates sehen von weiteren Verfolgungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen wegen der angezeigten Tat

nach Einleitung der Strafverfolgung gegen den Täter im ersuchten Staat ab, wenn dort a) die verhängte Strafe oder die angeordnete Maßregel der Sicherung und Besserung vollstreckt oder erlassen oder ihre Vollstreckung ganz oder teilweise ausgesetzt oder verjährt ist; b) der Täter aus anderen als verfahrensrechtlichen Gründen rechtskräftig freigesprochen worden ist; c) das Verfahren von einem Gericht oder einer Strafverfolgungsbehörde aus anderen als verfahrensrechtlichen Gründen endgültig eingestellt worden ist. Artikel römisch XVI (zu Artikel 22 des Übereinkommens) (1) Die Strafnachrichten werden mindestens einmal vierteljährlich zwischen dem Bundesminister für Inneres der Republik Österreich und dem Bundesminister der Justiz der Bundesrepublik Deutschland ausgetauscht. (2) Auf Ersuchen übermittelt der eine Vertragsstaat dem anderen im Einzelfall Abschriften strafrechtlicher Erkenntnisse. Der Schriftverkehr hierüber findet zwischen dem Bundesminister für Justiz der Republik Österreich und dem Bundesminister der Justiz der Bundesrepublik Deutschland statt. Artikel römisch XVII (zu Artikel 29 des Übereinkommens) Kündigt einer der Vertragsstaaten das Übereinkommen, so wird die Kündigung im Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zwei Jahre nach Eingang der Notifikation der Kündigung bei dem Generalsekretär des Europarates wirksam. Artikel römisch XVIII Dieser Vertrag gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Regierung der Republik Österreich innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages eine gegenteilige Erklärung abgibt. Artikel römisch XIX (1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation; die Ratifikationsurkunden sollen so bald wie möglich in Wien ausgetauscht werden. (2). Dieser Vertrag tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft, sofern in diesem Zeitpunkt das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen für beide Vertragsstaaten verbindlich ist; andernfalls tritt dieser Vertrag einen Monat nach dem Zeitpunkt in Kraft, in dem das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen im Verhältnis zwischen den beiden Vertragsstaaten verbindlich wird. (3) Dieser Vertrag kann jederzeit schriftlich gekündigt werden; er tritt sechs Monate nach der Kündigung außer Kraft. Er tritt auch ohne Kündigung in dem Zeitpunkt außer Kraft, in dem das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen im Verhältnis zwischen den beiden Vertragsstaaten unwirksam wird. ZU URKUND DESSEN haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterschrieben und mit ihren Siegern versehen. GESCHEHEN zu Bonn am 31. Jänner 1972 in zwei Urschriften. Für die Republik Österreich: Gredler m. p. Für die Bundesrepublik Deutschland: Frank m. p. Erkel m. p. Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete, vom Bundeskanzler, vom Bundesminister für Inneres, vom Bundesminister für Justiz, vom Bundesminister für Finanzen und vom Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am 14. Mai 1976 ausgetauscht; der Vertrag tritt gemäß seinem Art. römisch XIX Absatz 2, zweiter Halbsatz am 1. Feber 1977 in Kraft.

Kreisky