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Entscheidungstext 13Os66/12y (13Os67/12w, ...

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Fundstelle

EvBl 2013/34 S 230 - EvBl 2013,230 = RdW 2013/30 S 27 - RdW 2013,27 = AnwBl 2013,331 = JBl 2013,539 (McAllister/Schmoller) = SSt 2012/58

Geschäftszahl

13Os66/12y (13Os67/12w, 13Os68/12t, 13Os69/12i)

Entscheidungsdatum

18.10.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haberreiter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Karl-Heinz G***** und andere Beschuldigte wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach Paragraphen 33, Absatz eins,, 38 Absatz eins, Litera a, FinStrG aF, AZ 12 St 20/11m der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA), über die gegen die jeweils am 13. Februar 2012 gefassten Beschlüsse des Oberlandesgerichts Wien, AZ 18 Bs 161/11z und AZ 18 Bs 267/11p, 18 Bs 276/11m (ON 131 und 132 des Ermittlungsakts) sowie einen weiteren Vorgang von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, sowie des Verteidigers Dr. Ainedter und des Verteidigers und Vertreters von Beteiligten Dr. Radinsky zu Recht erkannt:

Spruch

         Im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Wien, AZ 611 St 14/11h (nunmehr AZ 12 St 20/11m der WKStA), gegen Mag. Karl-Heinz G***** und andere Beschuldigte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach Paragraphen 33, Absatz eins,, 38 Absatz eins, Litera a, FinStrG in der Fassung vor BGBl römisch eins 2010/104 verletzen

         1) der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 13. Februar 2012, AZ 18 Bs 161/11z (ON 131),

         a) im Ausspruch römisch II, soweit damit den Beschwerden des Dr. Peter H*****, der D***** T***** GmbH, der D***** A***** GmbH und der D***** S***** GmbH zur Gänze und der Beschwerde des Mag. Karl-Heinz G***** teilweise Folge gegeben wurde, und

         b) im Ausspruch römisch III und

         2) der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 13. Februar 2012, AZ 18 Bs 267/11p, 276/11m (ON 132),

         jeweils Paragraph 119, Absatz eins, StPO sowie

         3) die formlose Überweisung des Einspruchs des Mag. Karl-Heinz G***** „wegen Rechtsverletzung nach Paragraph 106, Absatz eins, Ziffer 2, StPO wegen rechtswidriger Durchführung der Hausdurchsuchung“ (ON 44) durch das Oberlandesgericht Wien an das für zuständig erachtete Landesgericht für Strafsachen Wien Paragraph 106, Absatz 2, zweiter Satz StPO.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Wien führte zum AZ 611 St 14/11h (nunmehr AZ 12 St 20/11m der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption) ua gegen Mag. Karl-Heinz G***** und Dr. Peter H***** ein Ermittlungsverfahren wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach Paragraphen 33, Absatz eins,, 38 Absatz eins, Litera a, FinStrG in der Fassung vor BGBl römisch eins 2010/104.

         Mit Beschluss vom 25. Mai 2011 (ON 29 des Ermittlungsakts) bewilligte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien (unter anderem) die Anordnung der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung von Orten (Paragraph 119, Absatz eins, StPO) an den Adressen 1*****, R***** (Sitz der D***** T***** GmbH und der D***** A***** GmbH) und 1*****, S***** (Wohnsitz des Dr. Peter H*****), jeweils samt den zugehörigen Nebengebäuden und -räumlichkeiten sowie Kellerabteilen und Dachböden. Weiters bewilligte dieses Gericht mit Beschluss vom 26. Mai 2011 (ON 30) die Anordnung der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung von Orten in 1*****, S***** (Filiale der B*****), eingeschränkt auf den Tresorraum und das Schließfach, in welchem die Datensicherungsbänder der D***** T***** GmbH und der D***** A***** GmbH aufbewahrt wurden.

         Den gegen den erstgenannten Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 25. Mai 2011 (ON 29) erhobenen Beschwerden des Dr. Peter H*****, der D***** T***** GmbH, der D***** A***** GmbH und der D***** S***** GmbH gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 13. Februar 2012, AZ 18 Bs 161/11z (ON 131), der auch weitere (hier nicht relevante) Aussprüche enthält, zur Gänze sowie der Beschwerde des Mag. Karl-Heinz G***** teilweise Folge, indem der angefochtene Beschluss, soweit er die Durchsuchung der Örtlichkeiten 1*****, R***** und 1*****, S*****, betraf, aufgehoben und die Anordnung der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung dieser Örtlichkeiten nicht bewilligt wurde. In Stattgebung der Einsprüche des Dr. Peter H*****, der D***** T***** GmbH, der D***** A***** GmbH und der D***** S***** GmbH stellte das Beschwerdegericht überdies fest, dass die Anordnung der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung der Örtlichkeiten 1*****, R*****, und 1*****, S*****, das Gesetz in Paragraph 144, Absatz 2 und Absatz 3, StPO in Verbindung mit Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO verletzt.

         Einen Einspruch des Mag. Karl-Heinz G***** „wegen Rechtsverletzung nach Paragraph 106, Absatz eins, Ziffer 2, StPO wegen rechtswidriger Durchführung der Hausdurchsuchung“ überwies das Beschwerdegericht formlos an das für zuständig erachtete Landesgericht für Strafsachen Wien (ON 131 S 33 bis 37, 51), dessen Einzelrichterin (Paragraph 31, Absatz eins, StPO) über diesen Einspruch zwischenzeitig bereits entschieden und eine Verletzung subjektiver Rechte des Beschuldigten festgestellt hat (ON 178).

         Mit - in den hier wesentlichen Entscheidungsgründen gleichlautendem - Beschluss vom 13. Februar 2012, AZ 18 Bs 267/11p, 276/11m (ON 132), gab das Oberlandesgericht Wien auch den Beschwerden der D***** T***** GmbH, der D***** A***** GmbH, der D***** S***** GmbH, der D***** V***** GmbH, der D***** C***** GmbH, der D***** F***** GmbH, der A***** GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der Ö***** W***** GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der W***** GmbH, der S***** & S*****gesellschaft mbH und der SST S***** & S*****gesellschaft mbH gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26. Mai 2011 (ON 30) Folge und sprach aus, dass die Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft nicht bewilligt werde. Mit Bezugnahme auf die Einsprüche der genannten Betroffenen wegen Rechtsverletzung stellte das Oberlandesgericht weiters fest, dass die Anordnung der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung das Gesetz in Paragraph 144, Absatz 2 und Absatz 3, StPO in Verbindung mit Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO verletze.

         Das Beschwerdegericht konstatierte jeweils einen Tatverdacht in Richtung der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach Paragraphen 33, Absatz eins,, 38 Absatz eins, Litera a, FinStrG in der Fassung vor BGBl römisch eins 2010/104, und zwar sowohl gegen Mag. Karl-Heinz G***** (ON 131, insbesondere S 30) als auch gegen Dr. Peter H***** (als Beitragstäter nach Paragraph 11, dritter Fall FinStrG; ON 131 S 45 sowie ON 132 S 32), stellte aber hinsichtlich des Letztgenannten (als berufsberechtigtem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und daher nach Paragraph 91, WTBG zur Verschwiegenheit bezüglich der ihm anvertrauten Angelegenheiten verpflichtetem Wirtschaftstreuhänder bzw „Berufsgeheimnisträger“ im Sinn des Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO; siehe ON 131 S 39 f, ON 132 S 26 f) fest, dass die von Paragraph 144, Absatz 3, StPO zur Durchbrechung des in Paragraph 144, Absatz 2, StPO normierten Umgehungsverbots geforderte dringende Verdachtslage fallbezogen nicht vorliege (ON 131 S 41 bis 45; ON 132 S 28 bis 32). Aus diesem Grund sei die Bewilligung und die Durchführung der Durchsuchung der diesem Beschuldigten zuzuordnenden Räumlichkeiten (in 1*****, R***** bzw in 1*****, S*****) zu Unrecht erfolgt (ON 131 S 45 f; ON 132 S 32 und 38).

         In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt die Generalprokuratur Folgendes aus:

         1./ Gemäß Paragraph 119, Absatz eins, StPO, der zufolge Paragraph 195, Absatz eins, FinStrG auch im gerichtlichen Finanzstrafverfahren gilt, ist die Durchsuchung von Orten und Gegenständen - und damit auch (soweit hier von Interesse) das Durchsuchen einer Wohnung oder eines anderen Ortes, der durch das Hausrecht geschützt ist, und darin befindlicher Gegenstände (Paragraph 117, Ziffer 2, Litera b, StPO) - zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine Person verbirgt, die einer Straftat verdächtig ist, oder Gegenstände oder Spuren befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind. Sicherstellung kommt nach den Verfahrensvorschriften insbesondere aus Beweisgründen sowie zur Sicherung gesetzlich vorgesehener vermögensrechtlicher Anordnungen in Betracht (Paragraph 195, Absatz eins, FinStrG in Verbindung mit Paragraph 110, Absatz eins, Ziffer eins und 2 StPO).

         Die Anordnung oder Durchführung einer im 8. Hauptstück der StPO enthaltenen Ermittlungsmaßnahme - etwa (wie hier) einer Durchsuchung von Orten (Paragraphen 117, Ziffer 2,, 119 Absatz eins, StPO) - ist gemäß Paragraph 195, Absatz eins, FinStrG in Verbindung mit Paragraph 144, Absatz 2, StPO unzulässig, soweit dadurch das Recht einer Person, gemäß Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2 bis 4 StPO die Aussage zu verweigern, umgangen wird (siehe auch Paragraph 157, Absatz 2, StPO, der sich überdies auf das Zeugnisverweigerungsrecht des Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 5, [bezüglich der Ausübung eines gesetzlich geheimen Wahl- oder Stimmrechtes] erstreckt). Dieses Umgehungsverbot besteht gemäß Paragraph 144, Absatz 3, StPO insoweit nicht, als die betreffende Person (dh der Berufsgeheimnisträger, der bei seiner Vernehmung als Zeuge zur Verweigerung der Aussage berechtigt wäre) selbst der Tat dringend verdächtig ist.

Indem Paragraph 144, Absatz 2, StPO direkt auf das gesetzlich verankerte Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen in Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2 bis 4 StPO Bezug nimmt, ergeben sich Inhalt und Reichweite des Umgehungsverbotes ebenfalls aus dieser Bestimmung. Das für Wirtschaftstreuhänder geltende Aussageverweigerungsrecht normiert Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO. Danach sind diese (sowie Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte und Notare) zur Verweigerung der Aussage (als Zeuge) in Ansehung dessen berechtigt, „was ihnen in dieser Eigenschaft bekannt geworden ist“. Der Zweck dieses (seit dem Strafprozessänderungsgesetz 1993, BGBl 1993/526, seinem wesentlichen Inhalt nach unveränderten) Aussageverweigerungsrechtes bestimmter Parteienvertreter (bis zum Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes, BGBl römisch eins 2004/19, in Paragraph 152, Absatz eins, Ziffer 4, StPO, seit 1. Jänner 2008 in Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO geregelt) - und damit auch jener des Umgehungsverbotes, das diese Berufsgeheimnisse gesetzlich absichern soll - liegt darin, dem Beschuldigten eine vertrauensvolle und vertrauliche Kontaktaufnahme mit einem solchen Parteienvertreter zu ermöglichen, ohne dass er dabei befürchten muss, (neue) Beweismittel gegen sich selbst zu schaffen vergleiche EBRV 924 BlgNR 18. GP 27 f; ebenso EBRV 25 BlgNR 22. GP 132; vergleiche auch RIS-Justiz RS0107297). Es dient demnach dem Schutz des Klienten, der sich einem zur Geheimhaltung verpflichteten Parteienvertreter anvertraut vergleiche Reindl-Krauskopf, WK-StPO Paragraph 144, Rz 2), vor verfassungswidrigem Zwang zur Selbstbelastung (Artikel 90, Absatz 2, B-VG) und insoweit auch dem verfassungsgesetzlich vergleiche Artikel 6, Absatz 3, Litera c, EMRK; auf einfachgesetzlicher Ebene Paragraph 7, Absatz eins und 2 StPO) gesicherten Recht des Beschuldigten (Angeklagten), sich selbst zu verteidigen (Kirchbacher, WK-StPO Paragraph 157, Rz 9). Das Aussageverweigerungsrecht erfasst jene Informationen, die dem Parteienvertreter - jeweils in seiner beruflichen Funktion - unmittelbar vom Mandanten bekannt gegeben oder die ihm von Dritten anvertraut wurden, aber auch solche Informationen, die er selbst in dieser Eigenschaft erlangt hat (Kirchbacher, WK-StPO Paragraph 157, Rz 16; Fabrizy, StPO11 Paragraph 157, Rz 10, jeweils mwN; vergleiche auch RIS-Justiz RS0082681, zuletzt 11 Os 52/05i).

Damit beschränkt sich auch der Kernbereich des zur Gewährleistung des Zeugnisverweigerungsrechtes vergleiche Kirchbacher, WK-StPO Paragraph 157, Rz 30) normierten Umgehungsverbotes - nach der ratio legis - auf jene „Informationen“, die dem Parteienvertreter (in dieser besonderen Eigenschaft) bekannt geworden sind, dh auf Mitteilungen des Klienten und Aufzeichnungen darüber (Gesprächsnotizen) etc, aber auch auf „Drittinformationen“, etwa auf Unterlagen über Erhebungen oder Mitteilungen Dritter an den zur Aussageverweigerung Berechtigten oder Aufzeichnungen über dessen eigene Wahrnehmungen im Rahmen der Auftragserteilung (EBRV 924 BlgNR 18. GP 28 unter Hinweis auf EvBl 1992/175; siehe auch Fabrizy, StPO11 Paragraph 157, Rz 20).

Gegenstände hingegen, die zur Begehung einer strafbaren Handlung bestimmt waren, diese erleichtert haben oder aus ihr herrühren (instrumenta aut producta sceleris; vergleiche Tipold/Zerbes, WK-StPO Vor Paragraphen 110,-115 Rz 24), sowie sonstige Beweisgegenstände, insbesondere Schriftstücke, die sich ihrem Inhalt nach nicht als eine an den Parteienvertreter gerichtete Mitteilung oder Information, sondern vielmehr als ein bereits vor der Übergabe an diesen existent gewesenes Beweismittel darstellen (in erster Linie, aber nicht nur „Beweisurkunden“; zum Begriff vergleiche Kienapfel/Schroll in WK² Paragraph 223, Rz 41), können durch die Übergabe an einen gemäß Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO zur Verweigerung der Aussage Berechtigten nicht immunisiert werden. Solche Beweisgegenstände können daher auch beim Parteienvertreter sichergestellt und beschlagnahmt werden (nochmals EBRV 924 BlgNR 18. GP 28; ebenso Fabrizy, StPO11 Paragraph 157, Rz 21; Tipold/Zerbes, WK-StPO Vor Paragraphen 110,-115 Rz 24 sowie Kirchbacher, WK-StPO Paragraph 157, Rz 17; vergleiche auch RIS-Justiz RS0107297, RS0097381 = SSt 62/126, SSt 45/1; siehe auch Reindl-Krauskopf, WK-StPO Paragraph 144, Rz 15 und 18 ff, insbes Rz 21 [wonach Ermittlungsmaßnahmen wie Hausdurchsuchung, Sicherstellung und Beschlagnahme nur dann gegen das Umgehungsverbot des Paragraph 144, Absatz 2, StPO verstoßen, wenn sie sich auf eine „an sich“ geschützte Information bzw auf „an sich dem Berufsgeheimnis“ unterfallendes Beweismaterial beziehen]).

Da in der Strafprozessordnung kein ausdrückliches Durchsuchungsverbot vorgesehen ist (Tipold/Zerbes, WK-StPO Paragraph 119, Rz 16), bewirken auch die in Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2 bis 4 (bzw 5) StPO normierten Aussageverweigerungsrechte und das entsprechende Umgehungsverbot (Paragraphen 144, Absatz 2,, 157 Absatz 2, StPO) kein allgemeines Verbot, bei einer zur Zeugnisverweigerung berechtigten (nicht selbst der Tat dringend verdächtigen) Person Beweisgegenstände sicherzustellen oder danach zu suchen. Das Umgehungsverbot bezieht sich vielmehr bloß auf bestimmte Gegenstände (abermals Tipold/Zerbes, WK-StPO Paragraph 119, Rz 16), und zwar auf solche, die von einem speziellen Aussageverweigerungsrecht (Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2 bis 5 StPO) betroffen sind. Ist es im Einzelfall unstrittig, dass die sicherzustellenden Beweisgegenstände vom Berufsgeheimnisschutz (bzw vom Wahlgeheimnis) umfasst sind, wäre eine darauf bezogene Beschlagnahme ebenso unzulässig wie eine ausschließlich auf solche Gegenstände abzielende Durchsuchungsanordnung.

Die Durchsuchung der Räumlichkeiten eines (nicht dringend tatverdächtigen) Parteienvertreters im Sinn des Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO ist daher keineswegs generell ausgeschlossen. Ist vielmehr aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass sich an der betreffenden Örtlichkeit auch andere, vom Berufsgeheimnis nicht umfasste Gegenstände befinden, die sicherzustellen oder auszuwerten sind (Paragraph 119, Absatz eins, StPO), so ist - nach Maßgabe vorliegender Verhältnismäßigkeit vergleiche Paragraph 5, StPO) - auch die Durchsuchung der dem (hier gemäß Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO) geschützten Personenkreis zurechenbaren Räumlichkeiten zulässig (ausdrücklich in diesem Sinn: Tipold/Zerbes, WK-StPO Paragraph 121, Rz 12; aM [ohne Begründung] Bertel/Venier Strafprozessrecht5 Rz 308).

Dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine Sicherstellung (und damit auch eine vorangegangene Durchsuchung) trotz potenzieller Verletzung einer gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht (bzw eines solchen Rechtes; vergleiche 13 Os 130/10g, 136/10i sowie Artikel 3, Ziffer 3, des Bundesgesetzes, mit dem das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972 und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden, BGBl römisch eins 2012/29) grundsätzlich möglich sein soll, ergibt sich im Übrigen bereits aus Paragraph 112, StPO (sowohl nach der alten als auch in der seit 1. Juni 2012 geltenden Fassung [BGBl römisch eins 2012/29]), wonach der Gefahr der Beschlagnahme und (beweismäßigen) Verwertung von Gegenständen, die dem Umgehungsverbot des Paragraph 144, Absatz 2, (bzw des Paragraph 157, Absatz 2,) StPO unterliegen könnten, mittels Widerspruch begegnet werden kann.

Das Oberlandesgericht beurteilte die Zulässigkeit der Durchsuchung der dem Beschuldigten Dr. Peter H***** zurechenbaren Örtlichkeiten allein danach, ob gegen diesen ein dringender Tatverdacht im Sinn des Paragraph 144, Absatz 3, StPO vorlag. Damit hat es das Beschwerdegericht - in Verkennung der Reichweite des Umgehungsverbotes des Paragraph 144, Absatz 2, StPO - unterlassen, nach der Verneinung einer dringenden Verdachtslage in Ansehung des Beschuldigten Dr. H***** die Rechtmäßigkeit einerseits der gerichtlichen Bewilligung der betreffenden Ermittlungsmaßnahmen und andererseits deren Anordnung durch die Staatsanwaltschaft auch im Lichte der allgemeinen Bestimmung des Paragraph 119, Absatz eins, StPO zu beurteilen. Denn mit Blick auf die von der Staatsanwaltschaft beantragten Anordnungen, die sich auch auf Schriftstücke und Unterlagen beziehen, denen - dem ersten Anschein nach - kein Informationscharakter im Sinn des Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO zukommt (wie etwa Verträge, Statuten, Kundenprofile, Kalendereintragungen, Reiseunterlagen, Unterlagen zu Konten und Wertpapierdepots, Tagebücher usw; vergleiche ON 131 S 7 f bzw ON 132 S 6 f), wären Feststellungen darüber, ob es sich bei jenen Gegenständen, deren Auffindung an den von den Anordnungen betroffenen Örtlichkeiten anzunehmen war, auch um solche handeln konnte, die nicht dem Berufsgeheimnisschutz unterliegen und die daher auch nicht vom Umgehungsverbot umfasst sind, zumindest indiziert gewesen.

2./ Soweit gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, hat über einen Einspruch gegen deren Anordnung oder Durchführung gemäß Paragraph 106, Absatz 2, zweiter Satz StPO in der Fassung BGBl römisch eins 2007/93) das Beschwerdegericht zu entscheiden.

Das Oberlandesgericht vertritt allerdings - ausschließlich unter Zitierung von Gesetzesmaterialien zum Strafprozessreformgesetz sowie vor Inkrafttreten des Strafprozessreformbegleitgesetzes römisch eins ergangene Literatur; vergleiche ON 131 S 34 bis 37 - den Standpunkt, dass allfällige „über die Bewilligung hinausgehende Rechtsverletzungen anlässlich der Durchführung der Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme durch die Staatsanwaltschaft auch im Fall der Erhebung einer Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Maßnahme mit gesondertem Einspruch zu bekämpfen“ sind.

Nach der mit dem klaren Gesetzeswortlaut des Paragraph 106, Absatz 2, StPO übereinstimmenden und in den Materialien unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten „Absicht des Gesetzgebers“ hat hingegen „über die Behauptung von Rechtsverletzungen sowohl bei der Bewilligung als auch bei Anordnung oder Durchführung ein- und derselben Ermittlungsmaßnahme das Beschwerdegericht abzusprechen“, wobei „die Geltendmachung von Rechtsverletzungen bei Anordnung oder Durchführung nur innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen die Bewilligung zulässig sein soll“ (JAB 273 BlgNR 23. GP 1 f).

Zur Entscheidung über den (mit der Beschwerde gegen die Bewilligung der Hausdurchsuchung verbundenen; ON 44) Einspruch des Mag. Karl-Heinz G***** „wegen Rechtsverletzung nach Paragraph 106, Absatz eins, Ziffer 2, StPO wegen rechtswidriger Durchführung der Hausdurchsuchung“ wäre demnach das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht zuständig gewesen, zumal die in Kritik gezogene und „kurz nach Beginn der Amtshandlungen“ erfolgte (ON 131 S 23) Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Wien betreffend diese Ermittlungshandlungen - schon aufgrund der damit erlangten Publizität vergleiche ON 131 S 33) - die in Paragraph 121, StPO geregelte Art und Weise ihrer Durchführung betrifft (zum Gebot, unnötiges Aufsehen tunlichst zu vermeiden, siehe Absatz 3, erster Satz leg cit sowie - unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit - Paragraph 5, Absatz 2, StPO).

3./ Während sich die zu 2./ aufgezeigte Gesetzesverletzung nicht zum Nachteil des Mag. Karl-Heinz G***** auswirkte (siehe die im Sinn des Einspruchwerbers ergangene Entscheidung der Einzelrichterin [§ 31 Absatz eins, Ziffer 3, StPO] des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. April 2012, ON 178), weshalb es mit ihrer Feststellung sein Bewenden hätte (Paragraph 292, vorletzter Satz StPO), ist aufgrund der Möglichkeit, dass sich an jenen durchsuchten Örtlichkeiten, die dem Beschuldigten Dr. Peter H***** zuzurechnen sind, auch für ihn oder für andere Beschuldigte entlastendes Beweismaterial befunden haben kann, eine insoweit nachteilige Wirkung der laut 1./ fehlerhaften Gesetzesanwendung für die davon betroffenen Beschuldigten nicht auszuschließen, sodass deren Feststellung gemäß Paragraph 292, letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verbinden wäre.

Rechtliche Beurteilung

         Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

         1. Informationen, die einem nicht dringend tatverdächtigen vergleiche Paragraph 144, Absatz 3, StPO) Parteienvertreter iSd Paragraph 157, Absatz eins, Ziffer 2, StPO in dieser Eigenschaft bekannt geworden sind, dürfen - aufgrund des in Paragraphen 157, Absatz 2,, 144 Absatz 2, StPO (zum Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander vergleiche Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 222; Reindl-Krauskopf, WK-StPO Paragraph 144, Rz 21) normierten Umgehungsverbots - im Weg einer Ermittlungsmaßnahme nach dem 8. Hauptstück der StPO (hier: nach dem gemäß Paragraph 195, Absatz eins, FinStrG auch im gerichtlichen Finanzstrafverfahren geltenden Paragraph 119, Absatz eins, StPO) nicht beschafft werden. Wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt, resultiert daraus kein generelles Durchsuchungsverbot in Bezug auf Räumlichkeiten des genannten Personenkreises. Vom Berufsgeheimnis nicht umfasstes (zB schon existent gewesenes, beim Parteienvertreter hinterlegtes) Beweismaterial kann daher Gegenstand einer Durchsuchungsanordnung gemäß Paragraphen 119, Absatz eins,, 120 Absatz eins, StPO sein (Tipold/Zerbes, WK-StPO Paragraph 121, Rz 12; vergleiche auch RIS-Justiz RS0097381; Hinterhofer, Zeugnisschutz und Zeugnisverweigerungsrechte, 401 und die von der Generalprokuratur angegebenen Fundstellen; [ohne Begründung] aM nur Bertel Strafprozessrecht5 Rz 308), was auch die nur auf gesetzlich anerkannte Verschwiegenheitspflichten (und -rechte) abstellende Vorschrift des Paragraph 112, StPO unterstreicht.

         Indem das Oberlandesgericht die - nach Verneinung des dringenden Tatverdachts gegen Dr. Peter H***** - weiters gebotene Prüfung unterließ, ob aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich an den zu durchsuchenden Orten auch nicht dem Berufsgeheimnisschutz des Beschuldigten unterliegende Gegenstände befinden, die sicherzustellen sind (Paragraph 119, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraphen 144, Absatz 2,, 157 Absatz eins, Ziffer 2, StPO), verletzte es Paragraph 119, Absatz eins, StPO.

         2. Gemäß (dem im gerichtlichen Finanzstrafverfahren zufolge Paragraph 195, Absatz eins, FinStrG geltenden) Paragraph 106, Absatz 2, zweiter Satz StPO hat das Beschwerdegericht, soweit gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, auch über einen - nach Paragraph 106, Absatz 2, erster Satz StPO mit diesem Rechtsmittel zu verbindenden - Einspruch zu entscheiden. Die Absicht des Gesetzgebers, dass über die Behauptung von Rechtsverletzungen sowohl bei Bewilligung als auch bei Anordnung oder Durchführung ein und derselben Ermittlungsmaßnahme das Beschwerdegericht abzusprechen hat (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 436), ergibt sich bereits eindeutig aus der Genese dieser zur Erreichung des genannten Zwecks durch das Strafprozessreformbegleitgesetz römisch eins, BGBl römisch eins 2007/93, geänder-ten Vorschrift (JAB 273 BlgNR 23. GP 1 f; vergleiche auch die bereits in die Richtung der späteren Gesetzesänderung weisenden Vorschläge von E. Fuchs, Rechtsschutz im Ermittlungsverfahren, ÖJZ 2007, 899, die Paragraph 106, Absatz 2, StPO - entgegen dem Oberlandesgericht [AZ 18 Bs 161/11z, BS 36] - keineswegs „einen nicht vom Wortlaut des Gesetzes gedeckten Bedeutungsinhalt zuschreibt“, sondern auf die zu diesem Zeitpunkt geltende ursprüngliche Fassung des Strafprozessreformgesetzes 2004 Bezug nimmt).

         Durch die demnach verfehlte Ablehnung seiner Zuständigkeit zur Entscheidung über den - mit der Beschwerde gegen die Bewilligung der Hausdurchsuchung verbundenen - Einspruch des Beschuldigten Mag. Karl-Heinz G***** wegen rechtswidriger Durchführung der Hausdurchsuchung (ON 44) und die aus diesem Grund verfügte Überweisung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verletzte das Oberlandesgericht Paragraph 106, Absatz 2, zweiter Satz StPO.

         Ein aus den aufgezeigten Gesetzesverletzungen resultierender Nachteil der Beschuldigten ist nicht auszumachen, sodass es mit deren Feststellung sein Bewenden hat. Bezüglich der Ansicht der Generalprokuratur, wonach im Fall der Bewilligung der in Rede stehenden Durchsuchungsanordnungen durch das Oberlandesgericht auch entlastendes Beweismaterial hätte hervorgebracht werden können, genügt der Hinweis, dass Beschuldigte jederzeit berechtigt sind, solche Gegenstände dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft vorzulegen vergleiche Paragraphen 7, Absatz eins,, 49 StPO).

Dem an das Landesgericht für Strafsachen Wien überwiesenen Einspruch des Beschuldigten Mag. Karl-Heinz G***** hat dieses Gericht - wie bereits dargelegt - stattgegeben (ON 178).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E102076

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2012:0130OS00066.12Y.1018.000

Im RIS seit

24.10.2012

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2015

Dokumentnummer

JJT_20121018_OGH0002_0130OS00066_12Y0000_000

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