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Entscheidungstext 12Os135/11m

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Strafrecht

Geschäftszahl

12Os135/11m

Entscheidungsdatum

20.12.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Michaela R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach Paragraph 28 a, Absatz eins, fünfter Fall, Absatz 2, Ziffer 3, SMG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Michaela R***** und Catalin B***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 7. Juni 2011, GZ 152 Hv 64/11p-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Michaela R***** und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung aller Angeklagter in der nach Paragraph 28 a, Absatz 2, Ziffer 3, SMG gebildeten Subsumtionseinheit und in den Strafaussprüchen einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten Michaela R***** und Catalin B***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Michaela R***** (römisch eins./ und römisch II./), Catalin B***** (römisch eins./) und Roman S***** (römisch III./) je des Verbrechens des Suchtgifthandels nach Paragraph 28 a, Absatz eins, fünfter Fall, Absatz 2, Ziffer 3, SMG schuldig erkannt.

Danach haben Michaela R*****, Catalin B***** und Roman S***** in Wien und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt das 15-fache der Grenzmenge (Paragraph 28 b, SMG) übersteigenden Menge durch Verkauf anderen überlassen, und zwar

römisch eins./ Michaela R***** und Catalin B***** von Mitte 2007 bis 11. Februar 2009 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (Paragraph 12, StGB) „zumindest 2 kg Speed und zumindest 2 kg Cannabiskraut“ an unbekannte Abnehmer;

römisch II./ Michaela R***** von Mitte 2007 bis 11. Februar 2009 „mit dem diesbezüglich bereits rechtskräftig verurteilten Catalin B***** zumindest 3.000 Stück Ecstasy“ an unbekannte Abnehmer;

römisch III./ Roman S***** von Mitte 2007 bis 11. Februar 2009 „zumindest 2 kg Speed, zumindest 2 kg Cannabiskraut“, „eine nicht mehr feststellbare Menge Kokain und zumindest 3.000 Stück Ecstasy“ an Michaela R***** und Catalin B*****.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wenden sich die Angeklagten Michaela R***** mit auf Ziffer 5,, 5a und 11 sowie Catalin B***** mit auf Ziffer 4,, 5, 5a und 9 Litera a, des Paragraph 281, Absatz eins, StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, von denen die erste zum Teil im Recht ist, während sie im Übrigen ihr Ziel verfehlen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Michaela R*****

Entgegen der Mängelrüge (Ziffer 5,) ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen - hier im Sinn kontinuierlichen Verkaufs von Suchtgift und den damit verbundenen Additionseffekt (US 7 f, 9) - rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch auch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).

Ziffer 5 a, des Paragraph 281, Absatz eins, StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen.

Mit den vorgebrachten Hinweisen auf die Aussage des Drittangeklagten werden keine erheblichen Bedenken im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes geweckt.

Zutreffend zeigt allerdings die Sanktionsrüge (Ziffer 11, zweiter Fall) auf, dass die im Urteil vorgenommene Wertung eines qualifikationsbegründenden Zusammentreffens verschiedener Suchtgifte als erschwerend nicht dem Gesetz entspricht (RIS-Justiz RS0116750).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Catalin B*****

Die Verfahrensrüge (Ziffer 4,) bezieht sich auf einen Beweisantrag zu einem Thema, dessen Erheblichkeit nicht dargetan wurde (Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 321, 327 f; Paragraph 55, Absatz 2, Ziffer eins, StPO): Durch Vernehmung der Zeugin Nadine Sch***** sollte belegt werden, dass „der Zweitangeklagte und die Erstangeklagte“ gemeinsam mit der Genannten „keine Verkäufe mit dem Drittangeklagten in diversen Diskotheken durchgeführt haben“ (ON 47 S 28). Von einem dem Beweisziel entsprechenden Sachverhalt ging das Erstgericht übrigens ohnedies aus (US 8; Paragraph 55, Absatz 2, Ziffer 3, StPO). Verteidigungsrechte wurden daher nicht geschmälert.

Indem die Mängelrüge (Ziffer 5,) die Feststellungen des Erstgerichts zum Reinsubstanzgehalt des Suchtgifts als „rein spekulativ“ bezeichnet (Ziffer 5, vierter Fall), übergeht sie die Erwägungen der Tatrichter zur Gerichtsnotorietät (US 9). Davon überrascht worden zu sein, wird nicht eingewendet (RIS-Justiz RS0119094).

Das Schöffengericht ist nach Paragraph 270, Absatz 2, Ziffer 5, StPO von vornherein nur zu einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe, jedoch nicht dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen und sonstiger Beweise zu erörtern (RIS-Justiz RS0106642). Daher wird das Vorbringen, das Schöffengericht habe sich, soweit es die Angaben des Angeklagten B***** als Schutzbehauptungen bewertete, „nicht mit allen Für und Wider“ ihn sprechenden Umständen auseinandergesetzt, dem Einwand unzureichender Begründung (Ziffer 5, vierter Fall) nicht gerecht.

Soweit in der Mängelrüge ausgeführt wird, ein „Mangel an Gegenbeweisen“ reiche für den Schuldspruch des Beschwerdeführers nicht aus, geht sie erneut nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus (US 6 ff; RIS-Justiz RS0119370).

Die Tatsachenrüge (Ziffer 5 a,) weckt weder mit dem Verweis auf das aus Ziffer 5, Vorgebrachte noch mit dem Einwand, dass bei Catalin B***** „das anklagegegenständliche Suchtgift“ nicht sichergestellt worden sei und keine Hinweise auf die Abnehmer bestünden, erhebliche Bedenken im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes. Ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial bloß aus Erwägungen der Tatrichter Bedenken abzuleiten, ermöglicht die Tatsachenrüge zudem nicht (RIS-Justiz RS0119424).

Welche Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Beschwerdeführer vermisst, sagt die Rechtsrüge (Ziffer 9, Litera a,) nicht. Auch soweit sie auf eine eigenständige Betrachtung von Beweisergebnissen statt auf die Konstatierungen im Urteil abstellt, ist sie nicht an der Prozessordnung orientiert (RIS-Justiz RS0099810).

Zur amtswegigen Maßnahme

Den Feststellungen zufolge überließ Roman S***** den anderen Angeklagten von etwa Mitte 2007 bis zum 11. Februar 2009 insgesamt zumindest 200 g Speed netto, zumindest 40 g Cannabis netto, eine nicht mehr feststellbare Menge Kokain und 75 g Ecstasy netto, was „der 20-fachen Grenzmenge betreffend Speed, der 2-fachen Grenzmenge für Cannabis sowie der 2,5-fachen Grenzmenge für Ecstasy“ entspreche. Michaela R***** überließ, wie die Tatrichter zusammenfassend konstatierten, „dieselbe Menge an Suchtgift mit Ausnahme des Kokain“ an unbekannte Abnehmer, Catalin B***** lediglich die 20-fache Grenzmenge betreffend Speed und die 2-fache Grenzmenge betreffend Cannabis (US 5, 10).

Somit geht aus den Feststellungen nur in Ansehung von Cannabis eine die Grenzmenge übersteigende Menge an Suchtgift - nämlich THC (RIS-Justiz RS0087895 ua) - hervor (Ratz, WK-StPO Paragraph 281, Rz 19).

In Ansehung der vom Schöffengericht bloß mit Handelsnamen („Speed“, „Ecstasy“) bezeichneten Waren ist dagegen den Entscheidungsgründen nichts über Wirkstoffart (und -menge) der jeweils tatverfangenen Substanzen zu entnehmen vergleiche RIS-Justiz RS0119257). Welche Menge an Kokain der Angeklagte S***** anderen überlassen hat, blieb im Urteil gleichfalls offen.

Demnach vermögen die Konstatierungen die Subsumtion der Taten nach Paragraph 28 a, Absatz 2, Ziffer 3, SMG nicht zu tragen. Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen begründet hinsichtlich aller drei Angeklagten - von ihnen nicht geltend gemachte, gemäß Paragraph 290, Absatz eins, zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmende - Nichtigkeit des Urteils nach Ziffer 10, des Paragraph 281, Absatz eins, StPO.

Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Michaela R***** (Ziffer 11,) und aus Anlass der beiden Nichtigkeitsbeschwerden (Ziffer 10,) wie aus dem Spruch ersichtlich mit teilweiser Aufhebung des Urteils vorzugehen (Paragraph 285 e, StPO).

Im Übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (Paragraph 285 d, Absatz eins, StPO).

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten Michaela R***** und Catalin B***** beruht auf Paragraph 390 a, Absatz eins, StPO. Sie erstreckt sich nicht auf die amtswegige Maßnahme.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E99663

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0120OS00135.11M.1220.000

Im RIS seit

02.02.2012

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2012

Dokumentnummer

JJT_20111220_OGH0002_0120OS00135_11M0000_000

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