Rechtsausführungen:
Die Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 10 EMRK (hier: Recht auf freie Meinungsäußerung) und Art. 6 Abs. 1 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren).Die Bf. behauptet eine Verletzung von Artikel 10, EMRK (hier: Recht auf freie Meinungsäußerung) und Artikel 6, Absatz eins, EMRK (Recht auf ein faires Verfahren).
Zur behaupteten Verletzung von Art. 10 EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 10, EMRK:
Die Bf. bringt vor, die Entscheidungen der Gerichte in den beiden Verfahren begründeten einen ungerechtfertigten Eingriff in ihre Meinungsäußerungsfreiheit. Außerdem hätten die Gerichte die Verweigerung der Aussage durch Peter Rosenstingl zu Unrecht akzeptiert.
1. Zur Zulässigkeit:
Wenn ein Bf. in einem Verfahren einen Vergleich abschließt und damit auf weitere innerstaatliche Rechtsbehelfe verzichtet, kann er in der Regel im Hinblick auf den Gegenstand des Vergleichs nicht länger behaupten, Opfer einer Konventionsverletzung zu sein. In dem Verfahren nach § 78 UrhG bzw. § 1330 ABGB schloss die Bf. einen Teilvergleich, in dem sie sich verpflichtete, die Veröffentlichung des Bildnisses von Ewald Stadler im Zusammenhang mit einem den inkriminierten Äußerungen entsprechenden Text zu unterlassen. Durch den Abschluss dieses Vergleichs akzeptierte die Bf. die Einschränkung ihrer Meinungsäußerungsfreiheit und verzichtete bezüglich des Gegenstands ihrer nun beim GH erhobenen Beschwerde auf weitere Rechtsbehelfe.Wenn ein Bf. in einem Verfahren einen Vergleich abschließt und damit auf weitere innerstaatliche Rechtsbehelfe verzichtet, kann er in der Regel im Hinblick auf den Gegenstand des Vergleichs nicht länger behaupten, Opfer einer Konventionsverletzung zu sein. In dem Verfahren nach Paragraph 78, UrhG bzw. Paragraph 1330, ABGB schloss die Bf. einen Teilvergleich, in dem sie sich verpflichtete, die Veröffentlichung des Bildnisses von Ewald Stadler im Zusammenhang mit einem den inkriminierten Äußerungen entsprechenden Text zu unterlassen. Durch den Abschluss dieses Vergleichs akzeptierte die Bf. die Einschränkung ihrer Meinungsäußerungsfreiheit und verzichtete bezüglich des Gegenstands ihrer nun beim GH erhobenen Beschwerde auf weitere Rechtsbehelfe.
Unter diesen Umständen kann die Bf. soweit das Zivilverfahren betroffen ist nicht behaupten, Opfer iSv. Art. 34 EMRK zu sein. Dieser Teil der Beschwerde ist daher gemäß Art. 35 Abs. 3 iVm. Abs. 4 EMRK als unvereinbar mit der Konvention ratione personae für unzulässig zu erklären (einstimmig).Unter diesen Umständen kann die Bf. soweit das Zivilverfahren betroffen ist nicht behaupten, Opfer iSv. Artikel 34, EMRK zu sein. Dieser Teil der Beschwerde ist daher gemäß Artikel 35, Absatz 3, in Verbindung mit Absatz 4, EMRK als unvereinbar mit der Konvention ratione personae für unzulässig zu erklären (einstimmig).
Soweit sich die Beschwerde auf das Verfahren nach dem Mediengesetz bezieht, ist sie weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen Grund unzulässig. Sie muss daher für zulässig erklärt werden (einstimmig).
2. Entscheidung in der Sache:
Es ist unbestritten, dass die Verurteilung der Bf. in einem medienrechtlichen Verfahren zur Zahlung einer Entschädigung und zur Urteilsveröffentlichung einen Eingriff in ihr Recht auf freie Meinungsäußerung darstellt.
Außer Streit steht auch, dass der Eingriff gesetzlich vorgesehen war und einem legitimen Ziel diente, nämlich dem Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer.
Bei der Prüfung der Notwendigkeit des Eingriffs wird der GH die Stellung der Bf. und jene von Herrn Stadler sowie Charakter und Gegenstand des umstrittenen Artikels berücksichtigen. Die Bf. ist Medieninhaberin einer der führenden Tageszeitungen Österreichs. In diesem Zusammenhang erinnert der GH an die Aufgabe der Presse, Informationen und Meinungen über alle Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu verbreiten. Herr Stadler ist ein allgemein bekannter Politiker, der damals Vorsitzender des Parlamentsklubs der FPÖ war. Nach ständiger Rechtsprechung des GH sind die Grenzen zulässiger Kritik in Bezug auf Politiker weiter als bei Privatpersonen.
Was Charakter und Gegenstand des umstrittenen Artikels betrifft, stellt der GH fest, dass es sich nicht um Gerichtsberichterstattung, sondern eher um eine politische Satire handelte. Er wollte nicht die Leser über das Strafverfahren gegen Peter Rosenstingl informieren, sondern die Frage aufwerfen und diskutieren, ob Herr Stadler oder andere führende Funktionäre der FPÖ über Rosenstingls Machenschaften mit Geldern des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender Bescheid wussten oder hätten wissen müssen. Indem er das Verhältnis zwischen einer politischen Partei und einer dieser nahe stehenden Organisation auf der einen und einer des gewerbsmäßigen Betrugs verdächtigen Person auf der anderen Seite behandelte, brachte er eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse zur Sprache. Er betraf damit einen Bereich, in dem Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit zurückhaltend angewendet werden müssen.
Die österreichischen Gerichte werteten die umstrittene Äußerung als Tatsachenbehauptung, deren Wahrheit die Bf. nicht bewiesen habe. Ihrer Ansicht nach wurden in dem Artikel Vorwürfe gegen Herrn Stadler erhoben, indem angeblich von dritten Personen gemachte Aussagen wiedergegeben wurden, ohne diese Zitate in einer neutralen Weise zu präsentieren. Hinsichtlich der angeblich von Herrn Rosenstingl getätigten Aussage, alle Dokumente an Herrn Stadler übergeben zu haben, stellten die Gerichte fest, dass dieses Zitat nicht korrekt sei, da aus den Protokollen des Verfahrens gegen Peter Rosenstingl ersichtlich sei, dass er lediglich behauptet hätte, im Büro Ewald Stadlers gewisse Unterlagen an eine dritte Person übergeben zu haben. Dieser Ansatz der innerstaatlichen Gerichte vermag den GH nicht zu überzeugen, weil er den Charakter des Artikels als politische Satire und seine primäre Absicht, Zweifel am Unwissen der FPÖ über die Machenschaften von Herrn Rosenstingl aufzuwerfen, vernachlässigt. Was die angeblich von Herrn Rosenstingl gemachte Äußerung betrifft, stellt der GH fest, dass die innerstaatlichen Gerichte seine Verweigerung der Zeugenaussage wegen der Gefahr einer Selbstbelastung in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren akzeptierten. Die Anerkennung seiner Weigerung, als Zeuge auszusagen, diente dem Schutz seiner durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK garantierten Rechte. Problematisch scheint jedoch, dass die Gerichte ihre Feststellung über die fehlende Korrektheit des Zitats auf die Protokolle des Strafverfahrens gegen Herrn Rosenstingl stützten. Das Argument der Bf., die Protokolle wären kein verlässlicher Beweis, ist überzeugend, da die Frage, welche Dokumente er in Herrn Stadlers Büro übergeben hatte und ob er sie an diesen oder an eine dritte Person ausgehändigt hatte, im Strafverfahren keine zentrale Rolle spielte. Die innerstaatlichen Gerichte kritisierten insbesondere, dass die Zitate in dem Artikel nicht in neutraler Art und Weise präsentiert worden waren. Angesichts des Inhalts des Artikels als Ganzem erachtet der GH die Behauptung als berechtigt, er habe sich – zumindest zum Teil – den Inhalt der Zitate zu Eigen gemacht. Journalisten sind jedoch nicht verpflichtet, sich systematisch und förmlich vom Inhalt eines Zitats zu distanzieren, das andere beleidigen oder provozieren oder ihren guten Ruf schädigen könnte, da eine solche Verpflichtung mit der Aufgabe der Presse, Informationen über laufende Ereignisse, Meinungen und Ideen zu verbreiten, nicht zu vereinbaren wäre. Wie der GH bemerkt, wurde in dem Artikel auch Ewald Stadlers Version der Ereignisse Beachtung geschenkt, er habe erst im November 1997 von einem Kredit aus Geldern des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender erfahren, eine Erklärung verlangt und habe sich von der „Lügenvariante" Rosenstingls täuschen lassen. Schließlich warf der Artikel zwar Fragen und Behauptungen auf, beanspruchte aber nicht, dass irgendwelche Tatsachen tatsächlich bewiesen wären. Dies zeigt sich an der Formulierung der umstrittenen Äußerung, wonach Herr Stadler von den Machenschaften Rosenstingls „gewusst haben soll". Überdies wurde der Leser im letzten Absatz des Artikels in Form eines Zitats der vorsitzenden Richterin eingeladen, sich sein eigenes Bild darüber zu machen, ob die FPÖ über die Machenschaften Rosenstingls informiert war.Die österreichischen Gerichte werteten die umstrittene Äußerung als Tatsachenbehauptung, deren Wahrheit die Bf. nicht bewiesen habe. Ihrer Ansicht nach wurden in dem Artikel Vorwürfe gegen Herrn Stadler erhoben, indem angeblich von dritten Personen gemachte Aussagen wiedergegeben wurden, ohne diese Zitate in einer neutralen Weise zu präsentieren. Hinsichtlich der angeblich von Herrn Rosenstingl getätigten Aussage, alle Dokumente an Herrn Stadler übergeben zu haben, stellten die Gerichte fest, dass dieses Zitat nicht korrekt sei, da aus den Protokollen des Verfahrens gegen Peter Rosenstingl ersichtlich sei, dass er lediglich behauptet hätte, im Büro Ewald Stadlers gewisse Unterlagen an eine dritte Person übergeben zu haben. Dieser Ansatz der innerstaatlichen Gerichte vermag den GH nicht zu überzeugen, weil er den Charakter des Artikels als politische Satire und seine primäre Absicht, Zweifel am Unwissen der FPÖ über die Machenschaften von Herrn Rosenstingl aufzuwerfen, vernachlässigt. Was die angeblich von Herrn Rosenstingl gemachte Äußerung betrifft, stellt der GH fest, dass die innerstaatlichen Gerichte seine Verweigerung der Zeugenaussage wegen der Gefahr einer Selbstbelastung in dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren akzeptierten. Die Anerkennung seiner Weigerung, als Zeuge auszusagen, diente dem Schutz seiner durch Artikel 6, Absatz eins und Absatz 2, EMRK garantierten Rechte. Problematisch scheint jedoch, dass die Gerichte ihre Feststellung über die fehlende Korrektheit des Zitats auf die Protokolle des Strafverfahrens gegen Herrn Rosenstingl stützten. Das Argument der Bf., die Protokolle wären kein verlässlicher Beweis, ist überzeugend, da die Frage, welche Dokumente er in Herrn Stadlers Büro übergeben hatte und ob er sie an diesen oder an eine dritte Person ausgehändigt hatte, im Strafverfahren keine zentrale Rolle spielte. Die innerstaatlichen Gerichte kritisierten insbesondere, dass die Zitate in dem Artikel nicht in neutraler Art und Weise präsentiert worden waren. Angesichts des Inhalts des Artikels als Ganzem erachtet der GH die Behauptung als berechtigt, er habe sich – zumindest zum Teil – den Inhalt der Zitate zu Eigen gemacht. Journalisten sind jedoch nicht verpflichtet, sich systematisch und förmlich vom Inhalt eines Zitats zu distanzieren, das andere beleidigen oder provozieren oder ihren guten Ruf schädigen könnte, da eine solche Verpflichtung mit der Aufgabe der Presse, Informationen über laufende Ereignisse, Meinungen und Ideen zu verbreiten, nicht zu vereinbaren wäre. Wie der GH bemerkt, wurde in dem Artikel auch Ewald Stadlers Version der Ereignisse Beachtung geschenkt, er habe erst im November 1997 von einem Kredit aus Geldern des Rings Freiheitlicher Wirtschaftstreibender erfahren, eine Erklärung verlangt und habe sich von der „Lügenvariante" Rosenstingls täuschen lassen. Schließlich warf der Artikel zwar Fragen und Behauptungen auf, beanspruchte aber nicht, dass irgendwelche Tatsachen tatsächlich bewiesen wären. Dies zeigt sich an der Formulierung der umstrittenen Äußerung, wonach Herr Stadler von den Machenschaften Rosenstingls „gewusst haben soll". Überdies wurde der Leser im letzten Absatz des Artikels in Form eines Zitats der vorsitzenden Richterin eingeladen, sich sein eigenes Bild darüber zu machen, ob die FPÖ über die Machenschaften Rosenstingls informiert war.
Unter Beachtung all dieser Elemente gelangt der GH zur Ansicht, dass es sich bei der umstrittenen Äußerung in ihrem Kontext um einen fairen Kommentar zu einer Angelegenheit des öffentlichen Interesses handelte. Sie ist daher als ein Werturteil und nicht als eine Tatsachenbehauptung anzusehen. Ihr wesentlicher Inhalt bestand darin, die Frage aufzuwerfen, ob Herr Stadler von den Machenschaften Rosenstingls wusste oder hätte wissen können. Dieses Werturteil war nicht exzessiv, da es eine gewisse faktische Grundlage in den Aussagen von Herrn Stadler selbst hatte.
Die von den innerstaatlichen Gerichten angeführten Gründe waren somit nicht ausreichend zur Rechtfertigung des Eingriffs. Da der Eingriff daher nicht iSv. Art. 10 EMRK notwendig in einer demokratischen Gesellschaft war, hat eine Verletzung von Art. 10 EMRK stattgefunden (einstimmig).Die von den innerstaatlichen Gerichten angeführten Gründe waren somit nicht ausreichend zur Rechtfertigung des Eingriffs. Da der Eingriff daher nicht iSv. Artikel 10, EMRK notwendig in einer demokratischen Gesellschaft war, hat eine Verletzung von Artikel 10, EMRK stattgefunden (einstimmig).
Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 6, EMRK:
Die Bf. behauptet, die Gerichte hätten die Verweigerung der Aussage
durch Peter Rosenstingl zu Unrecht akzeptiert.
Angesichts der unter Art. 10 EMRK getroffenen Feststellungen erachtet es der GH nicht für notwendig zu prüfen, ob eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliegt (4:3 Stimmen; Sondervotum von Richter Rozakis, Richterin Tulkens und Richter Spielmann).Angesichts der unter Artikel 10, EMRK getroffenen Feststellungen erachtet es der GH nicht für notwendig zu prüfen, ob eine Verletzung von Artikel 6, Absatz eins, EMRK vorliegt (4:3 Stimmen; Sondervotum von Richter Rozakis, Richterin Tulkens und Richter Spielmann).
Entschädigung nach Art. 41 EMRK:Entschädigung nach Artikel 41, EMRK:
€ 8.000,– für materiellen Schaden, € 8.000,– für Kosten und Auslagen
(einstimmig).
Vom GH zitierte Judikatur:
Lingens/A v. 8.7.1986, A/103, EuGRZ 1986, 424.
Jersild/DK v. 23.9.1994, A/298, NL 1994, 294; ÖJZ 1995, 227. Jerusalem/A v. 27.2.2001, NL 2001, 52; ÖJZ 2001, 693. Feldek/SK v. 12.7.2001, NL 2001, 149; ÖJZ 2002, 814. Scharsach und News Verlagsgesellschaft/A v. 13.11.2003, NL 2003, 307; ÖJZ 2004, 512.
Hinweis:
Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 2.11.2006, Bsw. 13071/03, entstammt der Zeitschrift „Newsletter Menschenrechte" (NL 2006, 286) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.
Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):
www.menschenrechte.ac.at/orig/06_6/Standard.pdf
Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.